Diese Beiträge werden von der Heimatgemeinde Obergünzburg als gelegentliche Früchte ihrer Arbeit veröffentlicht. Sie sollen in zwangloser Folge fortgesetzt werden.
Heimatforschung und Naturerkundung
Sonntag den 16. Mai
Nun, wir haben uns während der vier Kriegsjahre in manches gefunden bzw. finden müssen, woran früher niemand gedacht hätte. Wir sind ein armes Volk geworden und müssen manchen liebgewonnenen Genuss entbehren – aber die Freude an der Natur soll uns nicht genommen werden, denn sie ist ein wahrer Jungbrunnen, aus dem sich immer wieder neue Kraft schöpfen lässt.
„Es lacht der Mai!“ Überall ist ein seliges Lachen von Himmel und Erde zu vernehmen. Ein Lachen, das die Herzen erwärmt und die Sinne erfreut, ein Lachen, an dem sich auch Gott erfreut, der der Welt für einen Monat ihr verlorenes Paradies zurückschenkt. Leuchtend dehnt sich die von der Sonne bestrahlte Blüte über die Gärten und Halden, und der unendliche Himmel taucht die Welt in ein seltenes Licht, das man durchwandern möchte wie in einem Traum. Überall klingt das Summen des Frühlings und ein süßer Hauch von Honig und jungem Klee liegt in der satten Mittagsluft.
Was gibt es da Schöneres, als mit frohem Sinn und leichtem Gepäck hinauszuwandern, Feld und Wald zu durchstreifen, sich an der ewigen Schönheit der Natur zu erfreuen, in tiefer Waldeinsamkeit sich unter altehrwürdige Bäume niederzulassen oder zu träumen von einer besseren Zeit?
Die Bedeutung der Heimatforschung
Wandern und Träumerei stimmen nicht ganz mit dem Programm der Heimatforschung überein. Was gibt es in Gottes freier Natur nicht alles zu sehen und zu hören? Lassen wir doch die Heimatforscher selbst davon berichten.
Treffpunkt war um 2 Uhr an der Malstatt, von wo aus wir in Richtung Römerhügel – Liebenthann unter Beteiligung von Mitgliedern des Gesellenvereins aufbrachen.
Das Wort „Malstatt“ (von Mallum, der Verhandlungsstätte der alten Deutschen) mag für manche geheimnisvoll klingen, als ob es eine Verschwörung oder verborgene Ereignisse andeute. Doch es bezeichnet lediglich den Treffpunkt der Heimatforscher.
Die Wanderung
Die heutige Wanderung führte zunächst Richtung Römerhügel, wo sich die Vegetation in ihrer vollen Farbenpracht zeigte. Goldgelbe Schlüsselblumen leuchteten in der Sonne, dazwischen erfreuten dunkelblaue Polster des Frühlings-Enzians das Auge des Wanderers.
Schließlich erreichten wir die mittelalterliche Motte. Vor uns lag das Günztal in üppigem Frühlingsgrün, während sich im Hintergrund das beeindruckende Alpenpanorama zeigte, wenn auch leicht im Nebel verborgen.
Erforschung historischer Stätten
Bei einer kurzen Erklärung zur Entstehung, Nutzung und Verteidigung des kleinen Burgstalls – vermutlich der Sitz eines örtlichen Adligen – wurde auf die Bauweise hingewiesen. Der Hügel besteht aus einer quadratischen Erhebung mit acht Metern Seitenlänge, die aus dem Aushub des umliegenden Grabens geformt wurde.
Die dort befindlichen Gebäude und Befestigungen waren wohl aus Holz, da kaum Mauerreste gefunden wurden. Nur auf der Spitze des Hügels gab es früher Mauerfragmente, möglicherweise Reste eines Turmes.
Auf der nördlichen und westlichen Seite konnten schwache Spuren eines Grabens und Wallreste verfolgt werden, die einen großen Vorhof einschlossen – möglicherweise der Standort von Wirtschaftsgebäuden. Entgegen dem Namen war diese Befestigung nicht römischen Ursprungs, sondern stammt aus dem Mittelalter.
Weiter zur Steinbachquelle
Die Wanderung führte weiter in den nahegelegenen Steinbachwald. Dort bot sich reichlich Gelegenheit, junge Tuffsteinbildungen an Bächen und Quellen zu beobachten. Schließlich erreichten wir die Reverdy-Quelle, eine idyllisch gelegene Quelle mit kristallklarem Wasser, wo ein kurzer Aufenthalt den Genuss der Natur noch steigerte.
(Fortsetzung folgt.)
Quelle: Obergünzburger Tagblatt erschienen am 25.05.1920